Viele Menschen glauben, dass Geschichte sich vorwiegend mit den negativen Seiten der Vergangenheit befasst: mit Kriegen, Katastrophen und anderen Krisen. Aus dieser Not hat der Q1-Projektkurs Geschichte eine Tugend gemacht. Die Schülerinnen und Schüler haben sich ein Jahr lang mit dem Thema „Krisen“ beschäftigt und in den Fokus genommen, dass Krisen nicht nur Härten, sondern auch Chancen für einen Neuanfang mit sich bringen. Sie haben mit ihren Projekten am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teilgenommen, einen Sonderpreis NRW abgeräumt und nun am Schuljahresende die Ausstellung “Unser Ort, unsere Geschichten: Krisen und Umbrüche” organisiert, in der sie zeigen konnten, woran sie ein Jahr lang geforscht hatten.

Jan, Janko, Hauke E. und Niels haben sich mit einer ganz klassischen Krisenperiode, der Zeit des Ersten Weltkriegs, beschäftigt. Sie hatten im Stadtarchiv Bergisch Gladbach spannende Quellen zur Kriegswirtschaft gefunden und konnten zeigen, dass die Wirtschaft in unserer Region ähnliche Wandlungsprozesse mitmachte wie die gesamte deutsche Wirtschaft. Zum Beispiel haben die Unternehmen im Bergischen zunehmend Frauen beschäftigt. Insgesamt habe der Krieg sich aber hier bei uns weniger ausgewirkt als in anderen Regionen.

Projekt “Auswanderung – eine persönliche Krisenerfahrung?”

Projekt “Herr Kuhns Flucht aus Ostpreußen”

Cosimo, Marc und Nikita haben Verwandte interviewt, die in den letzten Jahrzehnten nach Deutschland eingewandert waren. Sie stellten den Besucherinnen und Besuchern eine Karte mit den Migrationswegen sowie Audios und Zitate vor. Die Migration sei für die Interviewten eine Krise gewesen sei, aber eine, „die sich gelohnt habe“, denn der Weg nach Deutschland habe den Nachkommen ein besseres Leben ermöglicht. Mit einer länger zurückliegenden Migrationsgeschichte haben sich Charlotte, Cosima, Gregor, Julia und Jaron beschäftigt. Einer ihrer Großväter war 1944/45 von Ostpreußen nach Dänemark geflohen. Aus seinen Aufzeichnungen hat die Gruppe mit viel Fingerspitzengefühl für die spannende Quelle eine Storymap erstellt, die man auf dieser Website findet. Dort kann man nacherleben, wie Herr Kuhn aus der Krise in Ostpreußen in eine krisenhafte Lage im Westen floh, nicht ahnend, dass sich ihn dort eine friedliche, krisenlose Zukunft erwarten würde.

Projekt “In Krisen reagieren”

Projekt “Homosexualität​ – Unterdrückung, Diskriminierung, Akzeptanz”

Ben hat den Luftschutz im Zweiten Weltkrieg und den heutigen Katastrophenschutz verglichen und dabei vor allem herausgefunden, dass sich, bei aller Ähnlichkeit in vielen Strukturen, die militärische Prägung des NS-Luftschutzes von allen seinen Nachfolgern abhob. Charlotte hat sich mit Homosexualität als persönlicher und gesellschaftlicher Krisenerfahrung beschäftigt und die Ergebnisse ihrer Arbeit künstlerisch in Form einer Leinwand umgesetzt. Sie überließ es den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung, die Bildsprache, die sie verwendete, selbst zu deuten.

Vorstellung des Films

Ausstellungsführung

Eine größere Gruppe aus Emilia, Amin, Hauke H., Jaron, Leon, Leonard, Moritz, Noah E. und Noah J. hat einen Film über das Kriegsgefangenenlager Hoffnungsthal gedreht. Er hat den Jurorinnen und Juroren der Körber-Stiftung, die den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten organisiert, so gut gefallen hat, dass sie den Schülerinnen und Schülern einen Sonderpreis NRW verliehen. Die Gruppe fand, dass die klassische Erinnerungskultur in einer Krise steckte, weil ihre Formen die jungen Menschen nicht mehr erreichen. Das galt ihrer Ansicht nach auch für die Gedenkstätte in Stephansheide, die an das Kriegsgefangenenlager erinnert. Daher drehten die Schülerinnen und Schüler einen Film, der das Lager und seine Geschichte in der Bildsprache der Youtube- und Instagram-Generation vorstellte. Dass dieses Ziel erreicht wurde, zeigte nicht nur der Sonderpreis, sondern auch die Rückmeldungen der Besucherinnen und Besucher. Wir arbeiten daran, den Film auch einem breiteren Publikum vorzustellen.

Die Schülerinnen und Schüler, die die Ausstellung besuchten, konnten erfahren, dass Geschichte eben nicht nur in Form von (Schul-)Büchern auftritt, sondern dass jede Erzählung der Vergangenheit die Form einnehmen kann, die für sie am besten passt und am meisten aussagt. Und die Schülerinnen und Schüler des Projektkurses konnten erfahren, wie begeisterungsfähig gerade die jüngeren Besucherinnen und Besucher sind, wenn man die richtige Sprache findet, um sie anzusprechen. Und zwar unabhängig davon, ob sie ihre Krisen negativ oder positiv deuten.

Ch. Weiß