Das Jetzt zählt: Begeisterung fürs Musical Rent
Auf den ersten Blick haben Rösrath und das abgerissene, quirlige New York der neunziger Jahre nur wenig gemeinsam. Im Musical Rent haben Schülerinnen und Schüler des FvS die Künstlerszene der Vor-Giuliani-Ära auferstehen lassen, die von Drogenmissbrauch, Aids-Epidemie, dem Warten auf den großen Durchbruch und der ewigen Suche nach dem Sinn des Lebens umgetrieben wird.
Der Filmemacher Mark und der HIV-positive Musiker und Frauenschwarm Roger, von Simon Kosse und Jonas (beide Q2) beeindruckend dargestellt, leben in einer WG in New York. Ihr Ex-Mitbewohner und aktueller Vermieter Benjamin, dessen Yuppie-Attitüde Lars (Q2) treffend auf die Bühne brachte, möchte die beiden Künstler auf die Straße setzen, um seine Immobilie in Cyber-Kunststudios umzuwandeln.
Gegen Benjamins Pläne formiert sich Widerstand, dessen Herzen eine Clique von Freundinnen und Freunden bildet: die HIV-positive Tänzerin Mimi, die von Anna (EF) und Marta (Q1) derart leidenschaftlich dargestellt wurde, dass man jeder eine eigene Hauptrolle gewünscht hätte; der HIV-positive anarchistische Professor Tom Collins, dessen Rolle Philip (Q1) besonders stimmgewaltig ausfüllte; sein Geliebter Angel, eine HIV-positive Dragqueen, deren Exzentrik genialisch von Marvin (Q2) zum Ausdruck gebracht wurde; Sarah (Q1) verkörperte ausdrucksstark die Rolle der Perfomancekünstlerin Maureen, während Franziska Korte überzeugend den kühlen Charme von deren Liebhaberin Joanne auf die Bühne brachte.
Die Hauptdarstellerinnen und -darsteller, die alle ein beeindruckendes stimmliches und musisches Talent entfalteten, bildeten zweifelsohne das Herz des Musicals. Seinen ganzen Zauber aber konnte der Abend nur entfalten, weil auch alle anderen 120 Mitwirkenden mit voller Leidenschaft bei der Sache waren. Die Big Band von Herrn Bechtel rief das Publikum durch ihren, man muss schon sagen: traditionell guten Sound zu Begeisterungsstürmen hin. Der Chor, der in allen zentralen Szenen auf die Bühne kam, beeindruckte durch stimmlich Präzision und so manche Solo-Einlage. Ein besonderer Clou waren die Auftritte der Tanz-AG, deren Performances die innere Entwicklungen der Protagonistinnen und Protagonisten in Bewegung umsetzten. Die professionelle Unterstützung durch Christiane Budden, die die Tanzszenen coachte, hat sich deutlich bemerkbar gemacht. Der Literaturkurs ergänzte die Handlung durch kurze Spielszenen, die die sozialen Umwälzungen im New York der Neunziger thematisierten.
Sehr wichtig für die Handlung war auch die imposante Ausstattung. Das Bühnenbild, das Frau Schmidts Kunstkurse gestaltet hatten, vervollständigte mit Videoprojektionen und Details wie historischen Tastentelefonen die Zeitreise in die Neunziger. Die Kostüme waren so eng auf die Handlung abgestimmt, dass die Darstellerinnen und Darsteller für fast jede Szene die Kleidung wechselten. Die Tänzerinnen traten mal im Karohemd auf die Bühne, mal in Kleidern, deren Farben die Gefühlswelt der Protagonistinnen und Protagonisten widerspiegelten. Und so mancher im Publikum wunderte sich, wo man hochhackige weiße Lederstiefel in Marvins Schuhgröße kaufen kann. Für die reibungslose Organisation sorgten der Projektkurs Kulturmanagement, die Technik-AG, vor allem aber das Lehrerinnen- und Lehrer-Team aus Herrn Bechtel, Frau Euler, Frau Groß und Frau Kober, die das Musical im letzten Jahr zusammen mit den Schülerinnen und Schülern vorbereitet hatten.
Rent findet kein eindeutiges Happy End: Die fabulöse Dragqueen Angel erliegt dem HIV-Virus und Mimi, die ihre Existenz verliert, entgeht nur knapp dem Kältetod. Aber am Ende kommen die Freunde zusammen und merken, dass im Angesicht einer feindseligen Welt nur eines zählt: Die Kraft von Freundschaft und von Liebe, dank derer sie jeden einzelnen Tag genießen können: „Es zählt nur das Jetzt!“ Dieses Motto haben die Schülerinnen und Schüler beeindruckend auf die Bühne gebracht. Man spürte in jeder Szene, dass hinter der Show nicht nur viele einzelne große Talente stecken. In den Proben ist ein eingeschworenes Team entstanden, das sich mit Rent selbst übertroffen hat. So rücken das Rösrath von heute und das New York der Neunziger auf einmal ganz nah zusammen. [Wei]