Klar und deutlich berichtet die ältere Dame den staunenden Schülerinnen und Schülern von ihrem Schicksal. Sie erzählt, wie sie und ihre Familie verhaftet wurden, weil sie Widerstand gegen die deutschen Besatzer geleistet hatten. Wie sie als Kind eine Tour durch verschiedene KZ und Gefängnisse antrat, in denen die Deutschen die Kinder von Widerstandskämpfern interniert haben. Wie sie mit den anderen Kindern um jeden Essensrest gestritten hat, aus Sorge darum, nicht genug zu essen zu bekommen. Wie sie dutzende Kindersärge ansehen musste, in denen Gleichaltrige beerdigt wurden, die die Haftbedingungen nicht überlebten. Und alle hören gebannt zu.

Am 23. September 2019 waren polnische Zeitzeuginnen ans FvS gekommen, die der Stufe EF von ihren Erfahrungen in deutschen Konzentrationslagern berichteten. Über die Jahren hinweg haben dutzende ehemalige KZ-Insassen unseren Schülerinnen und Schülern von ihre Erfahrungen unter der deutschen Besatzung berichtet. Inzwischen gibt es nur noch so wenige Überlebende, dass wir unsere Zeitzeugenveranstaltung dieses Jahr zum letzten Mal veranstalten.

Möglicherweise war deswegen die Neugierde der EF-Schülerinnen und Schüler besonders groß. Jede Schülergruppe bekam eine Zeitzeugin zugeteilt, mit der sie im kleinen Kreis über die NS-Zeit sprechen konnte. Da die Erfahrungen der Überlebenden so verschieden waren, stellte jede Gruppe abschließend „ihre Zeitzeugin“ im Plenum vor. Die meisten waren selbst in Gefangenschaft gewesen, eine jüdischstämmige Zeitzeugin hatte alle ihre Verwandten im Holocaust verloren und nur selbst überlebt, weil ihr christliches Kindermädchen sie aufzog. Aber eines hatten all die Erzählungen gemeinsam: Alle Zeitzeuginnen schilderten, was oder wer ihnen in der Besatzungszeit Mut und Überlebenswillen gegeben hatten. Und alle erklärten, dass sie trotz ihrer Erfahrungen keinen Hass auf die Deutschen hegten. Vielmehr hätten sie gelernt, wie wichtig es sei, Freiheit und Frieden in der Welt zu bewahren.

Am Ende der Veranstaltung dankte Schulleiter Dr. Gasse nicht nur den Zeitzeuginnen und dem Maximilian-Kolbe-Werk, das die Anreise organisiert hatte, sondern auch Frau Wittka. Sie hatte über zehn Jahre lang die Veranstaltung mit den Zeitzeuginnen und -zeugen organisiert und damit einer ganzen Alterskohorte von Schülerinnen und Schülern zu einer denkwürdigen, einzigartigen Begegnung mit der Geschichte verholfen. Damit neigt sich mit dem 23. September 2019 eine ganze Epoche der Erinnerungskultur am FvS ihrem Ende zu. Uns bleibt das gute Gefühl, dass es dank dieser Veranstaltung Hunderte von jungen Menschen gibt, die aus erster Hand erfahren haben, wie Menschen unter der NS-Herrschaft gelitten haben.

Text: Ch. Weiß, Fotos: J. Lahmer, M. Wittka